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Schemen-Vielfalt und der "Oberle-Seppl"

Beim 33. Schemeobed gab es einiges zu hören und zu sehen. Das Villinger Münsterzentrum war demnach sehr gut besucht.

Endlich wieder Schemeobed! Nach zwei Jahren Zwangspause fieberte die Arbeitsgemeinschaft Villinger Fasnet dem 33. Termin ihrer Veranstaltung entgegen. Manfred Hermle eröffnete den Abend mit einem kräftigen „Juh hu hu“ pünktlich um 19.30 Uhr. Er begrüßte alle Fassmaler, Häsmaler, Rollenfasser, Schemenschnitzer sowie alle Anwesenden, die mit ihrem (Fasnet-)Handwerk dafür sorgen, dass sich jede Maschgere korrekt und vollständig anziehen kann. Nach der Begrüßung übergab Hermle das Wort an Jürgen Fauth.
Fauth berichtete in einem kurzen, aber sehr persönlich gehaltenen Vortrag über das Leben und Wirken des im vergangenen Jahr verstorbenen Häs- und Fassmalers Lothar Kindler. Kindler war ein richtiger „Villinger Bue“, geboren und aufgewachsen in der Färberstraße im Haus des bekannten Meder-Ernsts. Kindler, der von Beruf ausgebildeter Maler und Lackierer war, absolvierte seine Ausbildung im Malerbetrieb des Edgar Sturm. Über Umwege kam er erst relativ spät zum Häsmalen, als ein Familienmitglied von ihm unbedingt ein Häs haben wollte. Auch einige wenige Schemen wurden von ihm gefasst, eine davon hatte Jürgen Fauth an diesem Abend dabei. Kindler war eher der stille, zurückgezogene Häsmaler, der vorwiegend nur im Freundes- und Bekanntenkreis tätig war. Deshalb gibt es nur relativ wenige Werke, die durch seine Arbeit entstanden sind. Die aufmerksamen Zuhörer erfuhren, dass Kindler seine Auftraggeber immer bekochte, wenn diese ihre bestellten Häser oder Schemen bei ihm abholten. Lothar Kindler verstarb nach kurzer, schwerer Krankheit am 17.10.2022.

Wer kennt es nicht, das sog. „Moler-Fischer-Hus“ im Villinger Rietviertel? Harald Schmidt berichtete von der bekannten Malerfamilie Fischer, die dort in der Badgasse 2 eine Malerwerkstätte betrieben. Schmidt konnte als ersten namentlich bekannten Vorfahren einen Johann Jakob Fischer ausmachen, geboren zu Villingen im Jahr 1732. Der Urenkel dieses Johann Jakob war Gustav Fischer, der im Jahr 1843 das Licht der Welt erblickte und später die Malerwerkstatt eröffnete. 1907 baute er an das Wohnhaus eine Werkstatt an, ehe er ein Jahr später verstarb. 1909 übernahm sein Neffe Hermann Fischer die Werkstatt seines Onkels und Lehrmeisters. Die Zuhörer erfuhren, dass Hermann Fischer sich auch weiterbildete, z.B. bei einem königlichen Hofdekorationsmaler in Bayern, der für den dortigen Adel arbeitete. Hermann Fischer hatte drei Töchter, von den die „Fischer-Mine“, mit richtigem Namen Mina, später in Villingen sehr bekannt war. Fischer war auch Mitglied des Zunftrates der Narrozunft sowie aktives Mitglied der Feuerwehr Villingen im Rang eines Leutnants. Auch feierte er an jedem Fasnetfreitag mit seinen Auftraggebern die sogenannte „Sichelhenki“, wenn alle Narrohäser und Schemen fertig bemalt waren. Bei diesem Fest ging es immer hoch her. Schmidt konnte während seines Vortrages verschiedene Exponate vorstellen, darunter je ein Gustav-Fischer-Häs sowie eines von Hermann Fischer, des Weiteren ein Portrait Hermann Fischers aus Kreide, das der akademische Bildhauer Robert Neukum 1927 gemalt hatte. Es wurden auch verschiedene Schemen mit Fischerfassungen beider gezeigt, sowie zwei Sieber-Schemen aus den Jahren 1890 bzw. 1899. Auch erfuhren die Gäste, dass der bekannte Villinger Expressionist Richard Ackermann des Öfteren bei Hermann Fischer um Farben fragte, weil er in den schlechten Jahren der Weltwirtschaftskrise kein Geld dafür hatte. Um sich wenigstens etwas erkenntlich zu zeigen, malte Ackermann ihm dafür kleine Bilder mit Fasnetmotiven. Drei dieser Bilder konnten ebenfalls gezeigt werden. Herman Fischer, von dem ein Häs aus dem Jahr 1939 jahrelang jedem Villinger Häsmaler als Musterhäs galt, starb am 14.04.1953. Die Fischer-Werkstatt wurde von seinem Gesellen und späteren Malermeister Erwin Maus übernommen.

 

Karl Hoch ging in seinem Beitrag auf die Figur der Alt-Villingerin ein, wobei es in diesem Teil nicht um die Gesamtfigur an sich ging, sondern rein um die verschiedenen Maskierungen. Hoch ging in einem kurzen geschichtlichen Abriss in die Entwicklung der Alt-Villingerin ein, die mit zu den jüngsten Figuren der historischen Villinger Fasnet zählt. Als mit der Zeit der Industrialisierung die Trachten abgelegt wurden, verschwanden diese in den Schränken und Kästen der Bürger. Als auch Frauen auf die Fasnet wollten, wurden diese Kleidung später zweckentfremdet und wandelte sich so von der Tracht zum Narrenkostüm. Karl Hoch wies anhand alter Fotografien nach, dass die Alt-Villingerin entgegen dem heutige Trend immer maskiert war. Waren es früher Einfachst-Vermummungen wie eine simple Augenmaske, ein spanischer Vorhang oder eine billige Wachsmaske aus dem Erzgebirge, kamen Ende der 1930 die ersten Holzschemen aus den Händen der Villinger Schemenschnitzer Eugen Wiedel und Friedrich Moser auf, wie wir sie heute kennen. Hoch forderte am Schemeobed vehement, dass sich doch jede Dame, die als Alt-Villingerin an der Fasnet auf die Gass‘ geht, bitte maskieren sollte, ansonsten sollte sie als Teil der Allerschönsten der Villinger Fasnet doch bitte nach den Wueschte beim Umzug mitlaufen. Es gelang der Arbeitsgemeinschaft nahezu perfekt, von jedem identifizierbaren Schemenschnitzer wenigstens eine Alt-Villingerin-Scheme zu präsentieren, die in der sich anschließenden Schemenrunde große Beachtung beim sachkundigen Publikum fanden.

Als letzter Redner des Abends übernahm Manfred Hermle das Mikrofon. Er erzählte vom Leben und Wirken des bekannten Villinger Originals Josef Oberle, den man zu Lebzeiten nur „Oberle-Seppl“ nannte. Hermle konnte berichten, dass die Vorfahren dieser Familie aus dem Großraum Tennenbronn stammten und im 16. Jahrhundert nah Villingen kamen. Josef Oberle war von Beruf Lokomotivführer, sein bester Freund und zugleich Stammtischbruder war der bekannte Milizhauptmann Wilhelm Beck, genannt „Kohle-Beck“. Josef Oberle war ein Vollblut-Narro, der sich während der hohen Tage ganz der Villinger Fasnet verschrieben hatte. Er war es auch, der stets am Stephanstag sein „Altärle“ in seinem Wohnzimmer aufbaute mit allerlei Schemen, Rollen, Foulards und Maschen. Auf dem Sofa nahm er dann immer Platz, um sich dort genüsslich eine Pfeife zu gönnen. Die Schemeobed-Besucher erfuhren auch, dass der „Oberle-Seppl“ als sogenannter Gast-Milizler bei der Miliz mitmachte. Mit diversen Fotografien konnte Manfred Hermle dies eindrucksvoll beweisen. Höhepunkt seines Vortrages waren allerdings die vielen Schemen des Josef Oberle, die allesamt am Schemeobed gezeigt werden konnten. Die wohl wertvollsten zwei Stücke, eine Maske von Martin Hermann aus dem Jahr 1753 sowie eine Halbkreuzer-Scheme, ließen die Besucher aufhorchen. Hermle erzählte auch das ein oder andere Rabbedizle aus Josef Oberles Leben, was bei den Zuhörern mitunter zu manchem Lacher führte. Seinen Vortrag über den bekannten Villinger Narro Josef Oberle beendete Manfred Hermle mit einem inbrünstigen „Juh hu hu!“.

In der darauffolgenden großen Schemenrunde konnten Masken aus allen Epochen der Villinger Maskenkunst gezeigt werden – von noch lebenden und auch von bereits verstorbenen Schnitzern. Erfreulicherweise fanden sich an den Schemenwänden auch bisher unbekannte Namen von Schnitzern, die die einmalige Gelegenheit nutzten, ihre Werke an diesem Abend einem breiten Publikum präsentieren zu können.

Auch im 33. Jahr seiner Existenz hat der Schemeobed seinen legitimen Platz in der Zeit vor dem Beginn der historischen Villinger Fasnet. Wo bekommt man sonst so viele unterschiedliche Schemen mit verschiedenen Charaktereigenschaften zu sehen wie beim Schemeobed? Der Villinger Arbeitsgemeinschaft sei Dank!

Die Arbeitsgemeinschaft Villinger Fasnet trifft sich regelmäßig zum Stammtisch, derzeit im Jägerhaus. Nähere Infos gibt es auch im Internet unter www.narro.de.